Es muss immer alles komplett verwertet werden
Wer sich bei einer Social-Media-Plattform anmeldet, muss darüber schreiben, wie es auf der Seite so ist. Dementsprechend ist es nur logisch, dass ich bei meinem tausendsten Versuch zu bloggen, erstmal darüber schreibe, was meine große Schwierigkeit beim Bloggen ist. Die Verwertungslogik.
Mein Ideal wäre ein persönliches Blog. Die Art Webseite, die mich überhaupt erst ins Internet geholt hat und mittlerweile fast ausgestorben ist. Wo einfach das gepostet wird, was man gerade fühlt, was einen gerade beschäftigt oder auch einfach nur coole Dinge, die man irgendwo gefunden hat. (Shoutout an Ronny, der das vermutlich länger und konsequenter durchzieht, als jede:r andere in Deutschland.)
Gleichzeitig ist es mein Job, mich mit Plattformen zu beschäftigen und ich weiß, wie man sich ein großes Publikum zulegt. Es hat seinen Grund, warum Leute wie Taylor Lorenz auf TikTok und Threads einen Post nach dem anderen raushaut. Der Algorithmus hat Hunger und so wird man nach oben gespült. Doch auch ohne Feeds gibt es eine klare Regel für Erfolg: Finde deine Nische.
Wenn man nicht gerade der interessanteste Mensch der Welt ist, folgen einem Leute für Themen, die sie interessieren. Ob Klimakrise, Humor oder Technik ist egal, Hauptsache der Content ist vorhersehbar. Kurzgesagt: Eine große Followerschaft aufbauen ist nicht Glück, sondern ein relativ klarer Weg, dem man folgen sollte.
Der Mensch ist kein Thema
Diese kapitalistische Verwertungslogik ist auch durchaus sinnvoll. Der Tag ist zu kurz, um sich mit allem auszukennen und in meinem Beruf bin ich darauf angewiesen in meinem abgesteckten Themenfeld auf dem laufenden zu sein, damit ich anderen in kurzer Zeit erklären kann, was gerade vor sich geht.
Aber ich, die Person, habe weit mehr Interessen als ich, der Fachjournalist. Der Grund, warum ich eigentlich wieder mit dem Bloggen anfangen wollte, ist, weil ich mich über Star Trek: Lower Decks geärgert habe. Oder ich könnte über die besten Kopfhörer für jede Situation sprechen, tagelang.
Das alles sind Sachen, die ich auf Twitter jahrelang so gemacht habe. Weil es Spaß macht. Weil ich mehr als nur ein Thema bin. Weil ich nicht jeden Aspekt meines Lebens optimieren muss – theoretisch.
Zwischenüberschriften sind sehr wichtig
Gleichzeitig wird es immer wichtiger, dass Journalist:innen sich zu ihrer eigenen Marke machen. Dass ich mir überhaupt erlauben konnte mein Twitter nicht auf Reichweite zu optimieren, ist realistisch gesehen dem Luxus geschuldet, dass ich als weißer Mann nicht an jeder Ecke meine Kompetenz beweisen muss, um einen Vorsprung zu gewinnen und in einer Situation bin, die mir erlaubt, nicht jede Chance zu nutzen.
Aber so zu tun, als könnte ich mich von dem Optimierungsgedanken lösen, ist auch naiv. Ich denke jedes Mal, wenn ich Quatsch oder Meinungen ins Internet schreibe, dass ich mich auf Netzkultur und -Politik beschränken sollte. Das sind schließlich meine vermarktbaren Themenfelder.
Bei der Produktion von meinem Podcast »Besser als sein Ruf« (immer die eigenen Projekte erwähnen!) frage ich mich oft, ob ich mehr Zeit in die Struktur und den Schnitt stecken sollte, schließlich könnte das ein schlechtes Licht auf meinen Job werfen. Und schon wird das Hobby zur Arbeit.
Sollte ich die Blogpost auch als Newsletter veröffentlichen, obwohl ich der festen Überzeugung bin, dass die Mail-Inbox ein furchtbarer Ort für Texte ist? Schließlich ist das Medium immer noch erfolgreich. Und während ich schreibe, fällt mir auf, dass jede Statistik sagt, dass dieser Artikel hier viel zu lang ist.
Eine neue Chance
Während jetzt alle zu Bluesky gehen, frage ich mich, ob das der Moment für ein Rebranding ist. Selbst eine moderate Professionalisierung hätte garantiert positive Folgen. Und vermutlich sollte ich nur über Netzkultur bloggen. Es gibt schließlich genug Material, das es nicht in meine Arbeit schafft.
Das Problem ist: Ich bin nie ins Internet gegangen, weil ich eine Visitenkarte brauche. Ich war schon immer hier, deshalb ist es jetzt mein Beruf, nicht andersrum. Das ist nur der Verwertungslogik egal.
Ein guter Text sollte übrigens mit einem konstruktiven Lösungsansatz enden. Vielleicht füge ich ihn ein, wenn ich ihn jemals finde.